top of page
  • AutorenbildFriseur Wittmann Kamenz

Wer schön sein will, braucht Maske - SZ-Artikel vom 04-05-2020

Friseure dürfen im Landkreis Bautzen jetzt wieder öffnen. Unter strengen Auflagen. Wie kommen sie und die Kunden damit klar? Sächsische.de hat es getestet.

SZ-Autorin Ina Förster war Montagmorgen die erste Kundin nach sechs Wochen Schließzeit beim "Friseur am Platz" in Kamenz. Friseurmeisterin Anja Wittmann hat sie bedient. © Matthias Schumann


Kamenz. Das Schild verheißt nichts Entspanntes: Maskenpflicht, Desinfektion, Abstand halten! Keine Schmöker-Zeitungen, kein Käffchen zwischendurch. Nach sechs Wochen endlich zum Friseur - das ist es, was zählt.

Friseurmeisterin Anja Wittmann schließt ihren "Friseur am Platz" in Kamenz am Montagmorgen extra eher auf für die Presse. Eigentlich sind die Termine seit Tagen vergeben. Die Stammkundschaft scharrte mit den Füßen. Dazu kommen die, die im sechswöchigen Bestell-Turnus ohnehin im Buch standen. "Wir arbeiten zu viert und bieten längere Öffnungszeiten. Sonst würden wir den Ansturm nicht packen", sagt Anja Wittmann. Punkt 8 Uhr desinfiziere ich mir die Hände. Hänge die Jacke an den Bügel. 8.05 Uhr fülle ich die Einverständniserklärung aus, dass meine Daten verwendet werden dürfen. Eine Sicherheitsmaßnahme, damit man mich informieren kann, sollte ein Corona-Fall auftreten. 8.10 Uhr sitze ich auf einem der Waschplätze. Beide können nicht zeitgleich genutzt werden. "Auch hier noch eine Plexiglasscheibe dazwischen zu schieben, wäre zu aufwändig gewesen", sagt Anja Wittmann. Seit 4. Mai dürfen die Friseure unter Einhaltung umfangreicher Schutz- und Hygienemaßnahmen wieder öffnen. Die Kundschaft muss sich an einiges gewöhnen.


Schon so kommt man sich vor wie in einer Klinik. Zwei Wochen hat sich die Chefin den Kopf zerbrochen, wie sie die lange Auflagen-Liste umsetzen kann. 14 Seiten lang ist das Pamphlet. Vieles erscheint unsinnig auf den ersten Blick, manches übertrieben. Doch was will man tun? "Wer mich kennt, weiß, dass ich ein Arbeitstier bin, dass ich alles extrem vermisst habe. Aber dass die letzten sechs Wochen nicht aufzuholen sind, ist klar - finanziell wie terminmäßig", sagt Anja Wittmann. Allein die Umgestaltung und die zusätzlichen Hygiene-Standards kosten extra. Eine Belastung, wenn man gerade einen mehrwöchigen Verdienstausfall zu verkraften hatte. Zudem hat Anja Wittmann kostenloses WLan für die Kundschaft eingerichtet, wenn schon keine Klatschzeitungen erlaubt sind. Trotzdem haben alle auf den 4. Mai hingefiebert. "Das hat gejuckt in den Fingern", sagt sie. Hinter der Maske zu sprechen, fällt ihr schwer. Es ist jetzt schon warm im Salon. Und dabei noch kein einziger Fön in Betrieb. "Wie ich das den ganzen Tag abhalten soll, weiß ich nicht", sagt Anja. Drei weitere Masken liegen parat. Wahrscheinlich wird sie sie brauchen. Mit dem Plastik-Visier kommt sie nicht zurecht. Das beschlägt sofort. "Ich muss ja etwas sehen, wenn ich Haare schneiden will!" Ich liege 8.15 Uhr mit dem Kopf nach hinten unterm Wasserstrahl. Das funktioniert gut, weil meine Maske einen dünnen Gummi hat, den ich nach unten streifen kann. Man könnte die Maske beim Waschen auch vors Gesicht halten. Fürs Haare-Färben hat Anja Wittmann Masken aus Einwegmodellen und Schaschlick-Spießen gebastelt - zum Halten. Wenn der Pony geschnitten wird, muss eine zusätzliche Schutzfolie an die Stirn geklebt werden, da der Friseur dem Kunden hierbei sehr nah kommt. Serviceleistungen wie Augenbrauenzupfen oder Bartpflege sind noch gänzlich untersagt. Not macht eben erfinderisch. Und die heißt Liefer-Engpass. "Ich habe seit zwei Wochen Desinfektionsspray und diverse andere Dinge bestellt, aber es kommt nichts", sagt Anja Wittmann frustriert. Unterdessen ist Mitarbeiterin Sandy Klunker eingetroffen. Auch ihr erster Kunde wartet. Ein Herrenschnitt. Mit Waschen, versteht sich. Ohne geht nicht mehr. Bartpflege auch nicht. Der Mann nickt nur. Irgendwo hatte er das bereits gelesen. Sandy kommt besser mit dem Schutzvisier klar. Los geht's. Auch bei mir: 8.20 Uhr - Spitzen schneiden. Glücklicherweise lasse ich die Haare wachsen. Als es an den Pony geht, bekomme ich kurzzeitig eine zusätzliche Plastikfolie an die Stirn geklebt. Ich lasse mich berieseln, halte den Mund. Das ist selten. Ich mag die Maske nicht, bekomme nach spätestens einer Viertelstunde Zustände. Anja Wittmann hingegen muss reden, schneiden und fönen. 8.30 Uhr springt der Fön an. 8.37 Uhr stehe ich an der Kasse. Schere, Bürste und Kamm liegen bereits in der Desinfektionsschale. 8.45 Uhr. Ich bin entlassen. Friseure brauchen dieser Tage flinke Hände. Vor- und Nachbereitung dauern. Der Sitz, mein Kleiderbügel, der Umhang - alles bekommt eine Nachbehandlung. "Das Herzliche, Individuelle wird am meisten fehlen," sagt Anja Wittmann. "Wir geben uns trotz allem Mühe!" Nach jedem Kunden müssen Scheren, Kämme, Bürsten, Umhänge, Sitze, Kleiderbügel und andere Dinge desinfiziert werden. Ein Mehraufwand, der beim "Friseur am Platz" in Kamenz 2,50 Euro Hygienezuschlag kostet.

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page