Anja Wittmann bietet im „Friseur am Platz“ auch Menschen eine Alternative, die ihre Haare durch Krankheiten verlieren.
Anja Wittmann (l.) spezialisiert sich in ihrem „Friseur am Platz“ in Kamenz nun auch auf attraktives Zweithaar. Gemeinsam mit Mitarbeiterin Sandy Klunker – ihrer guten Seele im Geschäft – berät sie künftig rund ums heikle Thema Perücken. © René Plaul
Quelle: Sächsische Zeitung vom: 29.03.2019
Von Ina Förster
Kamenz. Der Mensch definiert sich über seine Haare. Frauen vielleicht etwas mehr, als Männer. Bei psychischen wie physischen Krankheiten leidet die Haarpracht jedoch leider oft. Ein Tabu-Thema, das Friseurmeisterin Anja Wittmann in Kamenz nun aufgreift. Seit Kurzem bekommt man bei ihr, fachgerechte und qualifizierte Antworten auf viele Fragen rund um Perücken. „Viele meiner Kunden haben mich konkret danach gefragt, denn man musste bislang nach Bautzen oder Dresden dafür fahren“, erzählt sie. „Und deshalb haben wir uns der Sache angenommen.“ Angenommen heißt: Eine Spezialfirma suchen, sie in Frankfurt finden, mit ihr Kontakt aufnehmen, zur Schulung fahren und sich weiterbilden lassen. Für Anja Wittmann kein Thema. Nun ist sie zertifizierte und präqualifizierte Hilfsmittelerbringerin. Doch hinter dem Wortungetüm verbirgt sich eine äußerst sensible Angelegenheit. Denn seine Haare durch eine schwere Krankheit zu verlieren, ist hart. Hier braucht es Fingerspitzengefühl, Gefühl für die besondere Lage der Kundschaft. „Ich bin leider schon selbst in der Familie und im Bekanntenkreis mit dem Thema konfrontiert worden und weiß dadurch, wie schwer es den Betroffenen fällt, sich ohne Haare zu zeigen“, sagt Anja Wittmann.
Seit fünf Jahren betreibt sie ihren „Friseur am Platz“ am Robert-Koch-Platz. Der Standort hat sich bewährt. Die 39-jährige Geschäftsfrau ist zufrieden – mit ihrem Salon und den beiden Mitarbeiterinnen Sandy und Simone. „Am 12. Mai feiern wir unser fünftes Jubiläum. Ich bin so stolz auf unser Team. Und dass wir es bis hierher geschafft haben“, meint sie. Nach 18 Jahren in diesem Beruf entschied sie sich 2014 für den Sprung in die Selbstständigkeit. Auch, wenn sie damals die 16. Friseurin in der Lessingstadt war. Mit dem 16. Salon. Am Robert-Koch-Platz war sie sozusagen der Platzhirsch. Und ihr Konzept geht immer noch auf: stilvolle Einrichtung, kleines Shopangebot rund um die Schönheit und gemütliches Flair gepaart mit hoher Fachkompetenz kommt gut an. Nun kommt die Perücken-Spezialisierung hinzu.
„Wir möchten der Kundschaft einfach eine professionelle Beratung vor Ort bieten. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass man gerade bei so einer persönlichen Angelegenheit eine Vertrauensperson an seiner Seite hat“, so Anja Wittmann. Und dass die Hemmschwelle niedrig gehalten wird. In den separaten Beratungsraum, führt sogar ein extra Hintereingang. In drei Schritten kommt der Kunde hier künftig zu einem perfekten Zweithaar. Am Anfang steht natürlich eine umfangreiche Typberatung und Auswahl. Nachdem man sich vom Hausarzt ein Rezept ausstellen lassen hat, sollte man einen ersten Termin vereinbaren. „Wir können bis zu zehn verschiedene Perücken bestellen, ehe es zum Kauf kommt“, weiß die Friseurin.
Große Auswahl
Von Echthaar bis Vollsynthetik ist alles drin. Die Farbpalette ist riesig. „Zweitfrisuren machen schön und geben Sicherheit – Persönlichkeit, Lebensgefühl, Lebensfreude und Ausstrahlung sollen vor allem auch bei einer schweren Krankheit erhalten bleiben“, heißt es. Beim zweiten Termin wird anprobiert, welche Perücke am besten zum Typ passt und gut sitzt. Anja Wittmann kontaktiert anschließend die Krankenkasse des Kunden und bittet um Übernahme des vorgeschlagenen Hilfsmittels. In den meisten Fällen funktioniert dies schnell und unbürokratisch. Beim dritten Termin wird die Perücke personifiziert. „Sie soll ja gut sitzen, manchmal muss man noch etwas am Pony schneiden. Das passiert alles auf direkten Kundenwunsch“, so die Chefin. Und neben der Haarberatung, gibt es nebenbei wenn gewünscht gleich noch Tipps und Tricks für ein dezentes Styling während der Krankheit. Oft fehlt es ebenfalls an Augenbrauen und Wimpern.
Ein offenes Ohr für diese Probleme ist dabei Gold wert. Übrigens: Nicht nur Krebspatienten finden zum Friseur am Platz. Auch bei Autoimmunkrankheiten oder anderen Beschwerden verliert der Mensch leider schnell die Haare. „Wir wollen für alle da sein, die sich vertrauensvoll in unsere Hände begeben“, so Anja Wittmann.
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